Liebe Mitglieder der Hermannus-Gemeinschaft, liebe Hermann-Verehrer,
dass zum Jahreswechsel Fragen mit politischer Relevanz gestellt werden, das ist normal; dass aber im Advent und an Weihnachten Wahlkampf stattfindet und Wahlprognosen den Menschen wichtig sind, das lässt an frohen und gesegneten Weihnachten Zweifel aufkommen. Die politischen Gegebenheiten wollen es so und gefährden damit die Grundbotschaft von Weihnachten von der Geburt des Erlösers und des Heilsgeschehens für die gesamte Menschheit nachhaltig.
Vor einer besonderen Herausforderung stehen wir als Christen in unserem Land, denn wir haben in doppelter Hinsicht zu wählen und eine Entscheidung zu treffen. In der Adventszeit stellt sich uns die Frage: wollen wir uns für den angekündigten Heiland und Erlöser entscheiden, der uns entgegenkommt, nicht mit lauter Wahlpropaganda oder mit gewagten Versprechungen, sondern in der Stille und im warmen Lichterschein, der die Dunkelheit durchbricht – mit der Einladung zu Besinnung, zu Versöhnung und Hoffnung auf eine bessere Welt im Einklang mit Gott, unserem Schöpfer.
Es ist das Geheimnis des Kindes von Weihnachten, dass es in scheinbarer Ohnmacht, die alles befreiende Macht der Liebe und Barmherzigkeit anzubieten hat. Es gibt kein größeres Geschenk, das der allmächtige Gott und Vater durch die Menschwerdung seines Sohnes machen kann und will. Das ist sein einmaliges Angebot, das wir wählen, für das wir uns entscheiden können. Allzu leicht kann es uns Gott aber nicht machen. Wir müssen gleichsam die laute und umtriebige Welt meiden und Zuflucht in die Stille nehmen, unser Herz öffnen für die richtige Wahl. Das Ergebnis kann sein, dass wir umkehren von einem verhängnisvollen Weg hin zu dem, der von sich selbst gesagt hat: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Das beinhaltet kein leeres Versprechen, sondern die Erfüllung eines Traumes von ewigem Glück und Seligkeit in einem anderen Leben, im Reich der Liebe. Weihnachten will uns einen Vorgeschmack davon geben.
Die folgende kleine Geschichte kann uns das Weihnachtsgeheimnis noch näher bringen:
Das Versteckspiel (Martin Buber)
Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel, spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suchte. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck, aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber musste er weinen, kam weinend in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über den bösen Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über, und er sagte: „So spricht Gott auch: „Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen.“
Gott verbirgt sich. Er will, dass wir ihn suchen, weil er weiß, dass es für uns die größte Freude bedeutet, wenn wir ihn finden – weil wir dann das höchste Gut, die wahre Liebe finden. Deshalb lasst uns aufbrechen nach Betlehem! Die andere, uns aufgezwungene Wahl darf uns dabei kein Hindernis sein.
Ich wünsche Ihnen/Euch allen viel Freude bei der Begegnung mit dem göttlichen Kind. Es möge uns alle mit seinem Segen begleiten im neuen Jahr.
Winfried Alber